Arbeit mit ängstlichen Hunden






Vorab möchte ich mich bei Werner Heinzler bedanken, der sich die Zeit für dieses Gespräch genommen hat, sowie bei Christiane, die Werner Heinzler durch ihre Arbeit als Physiotherapeutin im Tierheim kennengelernt und den Kontakt vermittelt hat.
Angefangen hat Werner Heinzler als konservativer "Schäferhundler" auf dem Hundeplatz, wobei ihn damals schon zunehmend die Problemfälle interessierten, eben die Hunde, die nicht "auf Knopfdruck" funktionierten, die Schwierigen, die Aggressiven und die Ängstlichen.
Gleichzeitig wuchs sein Widerstand gegen die Art und Weise, in der die Tiere als Sportgeräte gesehen und behandelt wurden, die bei nichterbrachter Leistung bedenkenlos gedemütigt, gestraft, und gegebenenfalls entsorgt wurden.
Er begann, sich auf dem Gebiet der Hundeerziehung und -psychologie weiterzubilden, besuchte zahlreiche Seminare und absolvierte eine umfangreiche  Ausbildung an der Akademie für Tiernaturheilkunde in der Schweiz - anfänglich einfach nur aus dem Wunsch heraus, mehr über Hunde zu erfahren, ihr Wesen besser zu erfassen.
Mittlerweile arbeitet er ausschließlich ehrenamtlich als Hundetrainer für das Tierheim Landsberg - ein "Job", der seine gesamte freie Zeit in Anspruch nimmt - und manchmal mehr als das.
Das Problem, so Werner Heinzler, besteht darin, verängstigte, aggressive, teilweise schwerst traumatisierte Hunde in möglichst kurzer Zeit - denn sie sollen ja so schnell wie möglich aus der Tierheimumgebung heraus in einen normalen Alltag kommen - soweit zu resozialisieren, dass eine Vermittlung in geeignete Familien möglich ist. Hilfreich sei dabei natürlich die Erfahrung, manches gehe einfach schneller, wenn man genau wisse, was zu tun sei.
Trotzdem ist aber jeder Hund anders und muss individuell behandelt werden. Pauschalmethoden gibt es nicht, wo es um Lebewesen geht, und deshalb steht Werner Heinzler auch gerade den "Experten" sehr skeptisch gegenüber, die jeden Hund und sämtliche Probleme nach  Schema F und am besten noch im Schnellverfahren "kurieren"....
Kommt ein sehr ängstlicher Hund ins Haus, empfiehlt er, ihn die ersten Tage soweit wie möglich in Ruhe zu lassen, damit der Hund erst mal ein wenig "ankommen" und seine neuen Menschen kennenlernen kann.
Dann aber geht es darum, dem Hund zügig an alle Dinge heranzuführen, die er in seinem neuen Leben können muss - Treppen steigen, in den Garten gehen, Gassi gehen, ins Auto steigen. Die schonendste Methode für den Hund sei im Grunde, ihm keine Wahl zu lassen. Gesichert mit Halsband und Geschirr muss er zwangsweise mitgehen bzw. wird ohne Umstände ins Auto gehoben. So ist die Angst zwar im ersten Augenblick groß, er lernt aber am schnellsten, dass ihm nichts passiert. Wichtig ist bei dieser Methode natürlich, dass Mensch weder Hektik verbreitet noch Ärger ausstrahlt oder Mitleid mit dem armen Tier zeigt, sondern sich verhält, als gehe es um etwas völlig Selbstverständliches - und einen Blick dafür hat, wann der Hund an seine Grenzen stößt.  Bestätigt wird von Anfang an mit Leckerlis - wenn der Hund sie annimmt, wobei die meisten sich mit Leberwurst und anderen stark riechenden Delikatessen ködern lassen.
Wichtig ist, dem Hund nicht zu viel Freiraum zu lassen, um einerseits unnötige Hetzjagden zu vermeiden und ihm andererseits nicht die Möglichkeit zu geben, sich beispielsweise im Garten dem unerwünschten Kontakt ganz einfach zu entziehen. Der Hund muss in einem gewissen Rahmen lernen, Körperkontakt auszuhalten, damit er ihn irgendwann als positiv empfindet, aber Werner Heinzler warnt davor, den Hund mit zuviel Zuwendung zu bedrängen. Besser sei es, dem Hund die Initiative zu überlassen - denn "die Liebe und der Respekt eines solch traumatisierten Hundes ist etwas, das man sich verdienen muss!"
Ich lerne Cherie kennen, die aus einer Tötungsstation in Ungarn kommt. Über ihr Vorleben ist nichts bekannt, nur dass sie ungefähr ein Vierteljahr in einem fensterlosen Kellerverschlag in absoluter Dunkelheit gewissermaßen auf ihre Hinrichtung gewartet hat. Als Chery  vor acht Wochen ankam, lag sie in einer Ecke und war unfähig, sich zu bewegen. Sie entleerte sich unkontrolliert unter sich und war völlig paralysiert.
Zunächst galt es, ihr Halsband und Geschirr anzulegen - wobei zu bedenken ist, dass niemand vorher weiß, wie ein so panischer Hund - ohne Fluchtmöglichkeit - auf die Annäherung reagieren wird - ob mit totaler Angststarre oder unkontrolliertem Angriff. Danach durchlief Cherie sozusagen im Schnellverfahren die oben beschriebene Ausbildung, wobei sich Werner Heinzler für die Arbeit mit einem solchen Hund wirklich jeden Tag Zeit nimmt, denn Kontinuität sei das Wichtigste für den Erfolg. Es ist grade mal zwei
Monate her, dass Cherie hier ankam. Ich treffe einen fröhlichen Hund, der spazieren geht, mit seinesgleichen spielt, problemlos die - offene - Treppe ins Obergeschoss steigt, und mir - einer völlig Fremden - zwar noch vorsichtig, aber durchaus kontaktfreudig begegnet, Leckerlis nimmt und sich anfassen lässt.
Cherie ist ein fantastisches Beispiel für den Erfolg von Werner Heinzlers Arbeit. Natürlich machen nicht alle Vierbeiner in so kurzer Zeit so rasante Fortschritte, denn - wie gesagt - jeder Hund ist anders und besonders, und deshalb ist es immer wieder wichtig, genau hinzuschauen, zu überlegen, auszuprobieren. Goya
beispielsweise, ein ängstlicher Setter, ist über Futter absolut nicht zu beeinflussen. Immerhin ist er nun schon so weit, dass er auf Aufforderung hin auf die Eckbank springt und sich dort in unmittelbarer Nähe der gefürchteten Menschen zu einem Schläfchen zusammenrollt. Das wäre noch vor wenigen Tagen undenkbar gewesen.
Werner und Christiane bei der Beschäftigung mit Cherie, Goya und ihren Leidensgenossen zu beobachten, war sehr beeindruckend, und die Unterhaltung mit Werner Heinzler wirklich hochinteressant, denn er besitzt nicht nur ein umfangreiches Fachwissen, sondern außerdem einen unglaublichen Erfahrungsschatz.
Ich habe viel gelernt und hoffe, ich konnte etwas davon an Sie weitergeben.

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