Die Pinscherin steht mittlerweile vor der Haustür und kratzt am Türblatt um schnellen Einlass zu fordern. Ich habe immer weniger Sorge, dass ich sie versehentlich (und dauerhaft) verlieren könne. Sie läuft hauptsächlich frei mit ihrer „Psycho-Leine“, ich steigere jedoch auch die Testphasen ganz ohne Leine. Das war bisher immer noch ein gewaltiger Unterschied, denn ganz ohne erinnert sie sich ihrer Macht, einfach nicht so nah herzukommen, dass man sie Abgreifen/Anleinen kann und so dem köstlichen Spaß der uneingeschränkten Bewegungsfreiheit ein jähes Ende setzt. Einerseits möchte ich nun also in dem kleinen Hundehirn manifestieren, dass es keinen Grund zur Sorge um eingeschränkte Bewegungsfreiheit gibt, andererseits möchte ich natürlich sicherstellen, dass ich sie abrufen und sichern kann, wenn die Situation das erfordert. Ich rufe sie also ab, solange sie die Psycho-Leine dran hat, fasse sie an und lasse sie wieder flitzen. Ich rufe sie ohne Leine ab, fasse sie an, mache die Psycho-Leine dran, lasse sie wieder flitzen. Psycho-Leine heißt sie übrigens nicht, weil sie eine besondere Leine für Psycho-Wracks ist, sondern weil sie die Hunde psychologisch angeleint erhält. Sie lenkt einen Rest Konzentration auf „rückwärts“ und die weiterhin bestehende Verbindung zum (eigenen) Menschen und man selbst hat einen Rest Sicherheit, sich in einem günstigen Moment noch auf das Ende der Leine stellen zu können um des Hundes habhaft zu werden, sobald das ganz unpsychologisch einfach sein muss. Mir hilft das ungemein beim Vertrauen aufbauen und dem Hund kann Freiheit gemäß seines eigenen Verhaltens genehmigt werden. Für den Fall, dass es nicht hinhaut, wie man sich das so schön ausgedacht hat, muss man genauso schnell oder schneller sein als der Hund. Ich schaffe das nur mit Fahrrad (gerade so), Pferd (ideal) oder Auto (verpönt). Die Pinscherin rattert mit 40 Sachen Spitze durchs Tal wenn ihr danach ist und solange sie nicht 98%ig abrufbar ist, will ich etwas unter dem Hintern haben, mit dem ich meine lahmarschigen Beine ausgleichen kann. Da sie grundsätzlich nicht weg will vom Rudel, sondern sich nur dem Abruf zu widersetzen gelernt hat, benötige ich die Möglichkeit sie einzuholen nicht um sie einzufangen, sondern um meines Abrufs Gültigkeit zu unterstreichen. Es ist beeindruckend für so ein Hundekind, das eben noch lachend und dem Menschen eine lange Nase machend davon geschossen ist, wissend, das es schneller rennen kann - und der Mensch dann urplötzlich hinter einem steht und sagt: wie war das? Du brauchst mich nicht..?
Die Pinscherin war das eine Mal, das sie es bisher ausprobiert hat, ziemlich beeindruckt, hat sich zuckersüß zu mir gesetzt, sich die Leine anlegen lassen – und durfte weiter flitzen. Ätsch. Ich bin hier nicht die Spaßbremse. Die Pinscherin merkt sich das.

Das Wetter ist milder geworden und der Gefrierpunkt wieder weiter entfernt, sodass wir uns momentan auch nicht mit Mäntelchen auseinander setzen müssen. Nachdem sie mir etwas zu spitz wurde um die Hüften, habe ich das Experimentieren eingestellt und es gibt morgens eine satte Portion Reis mit Matsch aus der Dose, die sie genüsslich wegzieht. Ennio trauert um seinen Nachschlag.

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Gestern waren wir bei Kundschaft, der ich die Leine mit der Pinscherin in die Hand drücken konnte. Während wir darauf warteten, dass sie die Pferde sortiert & angebunden hatte, sahen wir uns den Stall an – inklusive der dort herumtuckernden Hühner mit Hahn. Also – ICH habe mir die Hühner aus drei Metern Entfernung angesehen. Schöne, geplusterte, gesunde Hühner. Die Pinscherin hat sie kurz bemerkt, spontan entschieden, die interessieren sie nicht, denn: hier duftet es ganz hervorragend und da...und dort…und außerdem: Fang an Dich zu bücken, Zweibein! Ähm...Bitte! Ich tanz‘ auch für Dich!

Darf sie beim Arbeiten aussteigen, will sie Hufhorn. Die Kundin hatte eigentlich nur die Aufgabe, den Hund von unter dem Pferd fern zu halten. Ich meine, das ist nicht neu oder besonders. Alle Hunde fahren darauf ab, sobald sie zur richtigen Zeit am richtigen Ort sind. Hühner übrigens auch, doch die sind diesmal höflich gewesen und haben den Hunden den Vortritt gelassen. Der Pinschermagen gibt es auch nicht wieder her so wie das bei ungeübten Mägen sonst eigentlich üblich ist. Oder es bläht und fürchterliche, ölige Angriffe auf die menschlichen Atemwege stehen bevor. Deshalb wird es von den entsprechenden Hundebesitzern dann auch gern unterbunden. Nicht so bei der Pinscherin. So pingelig sie auch mit ihrem Napffutter ist, Hufhorn verdaut sie 1a und haut rein, was sie kriegen kann.

Ich stehe kurz vor der Kapitulation was das Frühstück, die angedachte Hauptmahlzeit des Tages, angeht. Dosenfutter mit Reis geht super, sämtliche Versuche, etwas Frisches unterzujubeln, scheiterten bisher kläglich. Ihre Frontzähne können zu Pinzetten mutieren, wenn ich die ganz guten Sachen einschleuse. Sie möchte sich tatsächlich am liebsten von 20-25 Snacks täglich ernähren, die idealerweise aus dem Menschenfutterbereich kommen oder aus der Hardcore-Fastfood-Tierfutterecke. Oder Knabberkram. Oder Katzenfutter. Teller, Schüsseln und Verpackungsmaterial auslutschen, so sollte ihrer Meinung nach die Grundversorgung gestaltet sein. Das kollidiert etwas mit meinen Fütterungsgewohnheiten. Und ich weigere mich mittlerweile, Trockenfutter-Poppies zu füttern, denn ich will nicht mehr diese riesigen Mengen ekligen Kots eintüten müssen, die so ein Hund daraufhin ausscheidet. Die Ausscheidungen der Großen sind im Vergleich seltene, appetitliche Hochglanzpakete geworden, die ich mit Freuden in einem Eichenblatt oder einem Büschel Gras transportiere!

Ich versuche weiterhin, Nährwert statt Junkfood schmackhaft zu machen und probiere mich so durch. Flauschige, getrocknete Hasenohren sind super, Stückchen im Nassfutter, die an Teile einer Aorta erinnern, können eine ganze Mahlzeit ruinieren, zumindest in Kombination mit Kürbiskernöl oder zwei Teelöffeln Gemüsemus. Ennio findet das prima. Er rechnet mittlerweile schon mit einem Nachschlag und er findet der schmeckt jedes Mal einwandfrei.

Gestern wurden wir mit frischem Ochsenschwanz beschenkt: der Snack schmeckte.

Als Ausgleich für einen langweiligen Sauwetter- und boxreduzierten Arbeitstag gab es einen Rohhautkauknochen: hat super funktioniert. In ohrzuckende Träume hat sie sich genagt und zeigte keinerlei energiegestautes Verhalten.

Da mein innerer Bär ja nicht mehr so gern Fahrrad fährt, gönnen wir uns immer wenn es gerade in die Tour hineinpasst eine köstliche Alternative, über die ich allerdings öffentlich lieber nicht spreche. Sehr verpönt (ich weiß gar nicht warum). Die Pinscherin hat keine Probleme damit, sie freut sich über Kilometer, Tempo und Freiheit. Wenn sie losfetzt, zieht sie einen bunten Schweif purer Glückseligkeit hinter sich her. Sie ist eine ausgeglichene Rakete geworden.

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Brrr...der Winter kommt. Da für meine Existenz ursprünglich die Form eines Winterschlaf haltenden Bären angedacht war, ich dann aber irgendwie doch ein Mensch wurde, ist diese Jahreszeit jedes mal eine besondere Herausforderung. Ab dem Gefrierpunkt wird‘s kritisch.

Auch die Pinscherin friert, wenn sie morgens aus dem Kuschelnest steigt und in den Garten pinkeln muss. Oder den Stall macht...oder ins kalte Auto einsteigt. Zum Glück verbreiten die Großen wenigstens schnell kuschelige Wärme in der Box.

Das erste Mal habe ich sie unter der Kälte bibbern sehen, als die Kaltwetterfront ankam – mit scharfem Wind und zornigem Regen. Wegen der ollen Leine waren die Möglichkeiten sich unterzustellen begrenzt, während wir einen Tag zu spät die neue Plane über das Brennholz fummelten und das Sauwetter bereits da war. Ich habe in der Pflegehunde-Tasche nach Abhilfe gesucht und sie als Regenmäntelchen auch gefunden.
Die Großen dachten, ich käme mit einem Alien an der Leine wieder nach draußen, die Pinscherin hat sich sehr unwohl und herabgesetzt gefühlt, aber es war wärmer und trocken. Sie findet allerdings, Bewegung sei das bessere Mittel gegen Kälte als solch ein entwürdigendes Mäntelchen. Zum Glück ist sie reif für mehr „Leine ohne Mensch“, denn der Bär in mir möchte nicht lange vom Ofen weg und schon gar nicht aufs Fahrrad…doch wir haben nun ein Mäntelchen griffbereit für den Bedarfsfall: wenn wir raus müssen aber Bewegung nicht garantiert ist.

Ihre Rückschritte werden seltener (fallen dadurch allerdings auch mehr auf), ihre Fortschritte leiser und flüssiger, die Reaktionsrichtung zuverlässiger richtig. Mittlerweile kann sie es sogar schon genießen, nach dem Abrufen angefasst zu werden und gehört zu denen, die bei Abruf auf einer Kralle kehrt machen um dem nachzukommen (zumindest, solange sie keine Sanktionen erwartet, da ist ihr manchmal noch das alte Muster im Weg und zählt als Rückschritt).

Das einzige jagdliche Interesse, wenn man das schon so nennen kann, was ich bisher beobachten konnte, waren gespitzte Ohren und die Bereitschaft, sich das mal näher anzusehen, wenn draußen im Feld Vögel auffliegen. Kaum kommt ein Ton vom Menschen, gehen die Öhrchen allerdings sofort wieder herunter und es reicht, aus der Entfernung bemerkt zu haben, dass da was fliegt.

Es scheint als habe sie Dante in der Tasche. Seither ist sie nochmal ein gutes Stück ausgeglichener und lockerer, Dante nimmt es mit der ihr eigenen guten Laune und nachdem ich ihr mehrfach versichert habe, dass sie auf keinen Fall zur Adoption freigegeben werden wird, schmeckt auch das Futter wieder. Sie bleibt Ennios Liebling und meine beste Hündin. Alles nur temporär.

Gestern fuhren wir nach Reutligen zum Konzert. Es gab zwei Möglichkeiten für die Hunde: acht Stunden Autositzen oder acht Stunden allein Zuhaus. Wir haben das Experiment der zweiten Möglichkeit getestet. Kurz vor Reutlingen kam eine Teenager-Nachricht: Habt ihr Pinja mitgenommen? Nein. Alle Hunde sind Zuhause geblieben. Gut, dann gehen wir jetzt mal den Hund suchen…

Mir bricht der Schweiß aus. Guckt erst im ganzen Haus! Die verkrümelt sich, wenn zu viel Adrenalin in der Luft liegt! Nehmt die Großen mit!

Kurz darauf die erlösenden Worte: Falscher Alarm (hätte mich auch gewundert, aber: weiß man‘s, ausgerechnet wenn man nicht vor Ort ist?). Als sie die Großen riefen, kamen alle drei die Treppe herunter. Die Pinscherin hatte sich unsichtbar gemacht, eingerollt auf dem Schaumstoffbetti. Teenager und ihre Scheuklappen! SO klein, dass man sie im Hundebett aus den Augen verlieren kann, ist sie wirklich nicht! Also gleich die Chance genutzt und die Teenager auf ein Gartenpipi verpflichtet (Kleine an die Leine!). Pinja sei „komisch“, hieß es dann. Sie wolle nicht pinkeln und verhalte sich, als habe sie was „verbrochen“. Nun ist es allerdings auch so, dass meine Teenager sich Tieren gegenüber so ungeschickt verhalten, wie es nur denkbar ist. Ich weiß, man könnte annehmen, gerade die Meinen seien in dieser Hinsicht sensibilisiert, aber irgendwas ist da schief gelaufen – oder total normal, man weiß es nicht so genau.

Als wir des Nachts nach Hause kamen, war jedenfalls alles in feinster Ordnung. Die Pinscherin hatte dann doch noch in den Garten gepinkelt und verbrochen hatte sie überhaupt nichts (dass die Teenager alle ihre Knöpfe für Verunsicherung gedrückt haben könnten, wird immer wahrscheinlicher). Keine Socke geklaut, kein Müll geplündert, nichts angepinkelt, keine entnervten Nachbarn - all die kleinen Überraschungen, mit denen man ja quasi rechnen kann, wenn man unbekannte (...und manchmal auch bekannte!) Hunde über Stunden allein zuhause lässt, blieben aus.

Die Pinscherin ist wirklich ein angenehmer, großer Hund in klein.

Nur das mit dem Mantel. Das ist schon echt ein bisschen peinlich. Doch so ist das wohl, wenn man das Haar so kurz und geschmeidig trägt.
Heute im Stall hat sie sich mit ihrem Regencape ins Pferdebett gelegt und mich & die Großen die Arbeit allein machen lassen...bei Schneeregen...doch kaum ging es aus dem Stall raus auf den Auslauf, war sie wieder mit von der Partie. Sichtkontakt halten gehört zu ihrem Repertoire, auch mit Cape.

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