Teil 4:

Wir sind bei Tag 8.
Man merkt beiden an, dass sie sich inzwischen ein wenig orientiert haben und sich an die Gegebenheiten anpassen. Die Sorgenfalten auf des Zaunkönigs Stirn beginnen, sich zu glätten. Er bleibt auch allein zu Hause, wenn die anderen drei zum Rennen gehen und sofern er etwas in seiner Erreichbarkeit findet, besorgt er sich in dieser Zeit Schätze aus Mülleimern. Den Schaden, den er dabei anrichtet ist ebenso groß wie er selbst, weshalb ich dem Mülleimer noch immer keinen Deckel verpasst habe.
Beim Gassigehen läuft die Pinscherin an der 30m - Schleppleine, an der sie sich wunderbar abrufen lässt und in einem Affenzahn auf einen zugeschossen kommt. Sie stoppt abrupt aus jedem Tempo, wenn man ihr das Ende der Leine ankündigt. Allerdings weiß sie auch ganz genau, ob sie angeleint ist oder nicht.
Als ich ihr das erste Mal die Hausleine entfernt habe, ist sie vor Freude im Dreieck gehüpft, doch sie hatte es sich auch verdient. Sie ist aufgebracht und übereifrig, wenn man etwas von ihr will, aber sie reagiert wirklich prompt und gut.

Ist Ruhe im Haus liegen beide gelassen in ihren Hundebetten, zur Kuschelzeit sind sie ganz vorne mit dabei und sobald Bewegung ins Rudel kommt, tippeln sie mit.
Katzenbegegnungen werden besser. Die Pinscherin hat sich darauf verlagert, sie weitestgehend zu ignorieren, der Zaunkönig kann sich manchmal noch nicht gänzlich zurückhalten sie zu fixieren und anzuhüpfbellen. Den coolen Katzen ist das zwar lästig, aber sie nehmen ihn nicht so recht ernst...die nicht coole Katze findet dieses Verhalten empörend! Sie macht sich aber ob des Größenverhältnisses auch keine ernstlichen Sorgen, mit ihm nicht fertig zu werden. Er versaut ihr nur den entspannten Feierabend.

Während der Stallarbeit kann ich sie in Sichtweite anbinden und sie warten gespannt, aber artig, bis ich eeendlich wieder die Hände frei habe um sie abzuholen. Die Pinscherin geht lieber bei mir am Gürtel jeden Schritt mit. Am allerliebsten natürlich ohne Gürtel. Und jeden Schritt mal 1000 in Geschwindigkeit mal 100.

Teil 5:

Beinahe haben wir die magische Zweiwochen-Grenze erreicht. Und das ist deutlich spürbar.

Sie haben alles, was in dieser für grobe Statistiken ausreichenden Zeit passiert ist so genau es ihr Fassungsvermögen zulässt beobachtet, haben den Umgangston und die Kommunikationsmittel gecheckt, die ungefähre Größe ihrer zur Verfügung stehenden oder potentiellen Welt ausgelotet und werden gelöster, frecher, machen Rück- und Fortschritte in der neuen Situation und – lernen eben.

Was mittlerweile auch durchgesickert ist: je selbstverständlicher sie sich in meiner Welt bewegen, desto ausgefeilter werden meine Ansprüche an sie. Die Grundversorgung ist gratis, alles darüber hinaus wird sich selbst verdient.

 

Der Zaunkönig hat das geschluckt und begonnen, es in sein Repertoire aufzunehmen. Das klappt nicht immer, wäre ja zu schön, doch im Zweifel hält man sich an das, was die meisten anderen machen. Die Richtung kann dann schon mal nicht ganz verkehrt sein und wenn doch, kann man im Gewusel untertauchen und Abwarten. Leider gilt das nicht fürs Autofahren, dabei wäre ihm das Allerliebste, man könne es abstellen. Er muss sehr leiden und sabbern und verweigert seit zwei Tagen jegliches erbrechbare Futter außer Katzenfutter, Käse und getrockneten Knabberdingern. Reis mit Huhn, meinte mein TA: wird getestet. Er ist jetzt winzig und gertenschlank, aber fit und fröhlich – solange er nicht ins Auto muss. Sobald sich die Autotüre öffnet, verschwinden seine Ohren.

Ich meine ja immer mehr: der kleine Fu ist was für Zuhause. Haus und Garten, idealerweise ein Hundefreund, alles fein. Sind die Mülleimer gesichert, bleibt er auch brav allein Daheim, während alle anderen Rennen oder Autofahren gehen. Aber am schönsten ist, wenn er dabei sein darf ohne Rennen und Autofahren.

 

Die kleine Hexe macht zwar alles, was ich von ihr will und kuschelt leidenschaftlich & eifersüchtig, doch leider hat sich jemand an ihr die Mühe gemacht, das Prinzip Lob ad absurdum zu führen. Freundlichen Worten misstraut sie (Greifen) oder erwartet planlos Futter, freundlicher Berührung weicht sie aus und kann sie außer kurz am Kopf schwer genießen in Situationen unterschwelliger Erwartung, weil sie befürchtet ausgebremst oder hochgehoben zu werden und Leckerchen versetzen sie augenblicklich in einen Zustand zirkustänzchenreifer Hysterie, welche ihre Konzentration mächtig einschränkt.
Also wird ihr gerade das Prinzip Lob erklärt. Sie holt sich keine Streicheleinheiten ab, sondern sie bekommt sie, sobald sie ruhig bleibt und Zeit zum Genießen mitbringt. Allmählich nimmt sie uns ab, dass wir überhaupt kein Interesse daran haben, sie irgendwohin zu tragen. Freundliche Worte kommen in Kombination mit vorheriger Ansage - die nicht vorderhand freundlich, sondern entschlossen formuliert ist - und ihrer richtigen Reaktion. Sehr schön zu üben beim Akzeptieren der optischen Grenze, die die Schwelle zur Küche bietet. Oder, wenn sie sich auf einen Platz trollen soll: Den Raum verlassen? Äh. Piepsen? Äh-äh. Herumtrippeln? Ah! Ah! Ah! Anspringen? Ähh. Ach Mensch, dann eben Hundebetti! Jaaa, gutes Mädchen.

Kekse gibt es maximal für‘s Kommen auf Abfrage, Sitzen auf Aufforderung, Ganzbravsein und ‚Ohne Füße!‘ - mein Kompromiss zum Hochspringen MIT Hundepfoten auf den Hosenbeinen – eine Levade nennt sich das glaube ich in der klassischen Schulreiterei. Macht gleichzeitig schöne Schenkelchen und mein Bein wird nicht ständig als Fußabtreter missbraucht. Doch ich halte die Kekse fest. Die werden mir sorgfältig und mühsam aus den Fingern genuckelt, nachdem ich die beinahe schon eingebüßt hatte. Wir lassen uns soviel Zeit, wie es braucht, dass ihr Gehirn aktiv mitmacht. Wir drücken keine alten Knöpfe – und wenn, beizeiten auch versehentlich, dann um sie neu zu besetzen. Die Zeit muss man sich dann nehmen - dauert aber meist nur einige Minuten länger als ursprünglich geplant.

Wir machen unsere Touren jetzt mit dem Fahrrad (ohne den Fu, versteht sich, das ist eine Sache, die nur für Hunde mit Beinen geeignet ist) und die Pinscherin läuft an der Leine wie eine Feder am Rad mit. Sie zieht nur, während uns ein 40 Tonner überholt, ansonsten gar nicht, bleibt rechts und ist verständlicherweise nur etwas frustriert, weil sie keine Zeit zum Schnüffeln bekommt. Am Fahrrad käme das nur ohne Leine in Frage – das muss man sich schwer verdienen. Das kommt viel später, aber kommt, da bin ich sicher. Vorher ist noch Schleppleine dran, was ich allerdings bisher noch etwas vernachlässigt habe und solcher Art Spiele ins Haus verlege, denn Abrufarbeit ist, wie ich finde, auch immer irgendwie Bindungsarbeit. Das finde ich als Pflegestelle etwas knifflig und ich schiebe das gern, denn meine Aufgabe besteht nicht darin, Hunde an mich zu binden um sie ein weiteres Mal einfach weiterzugeben, sondern sie sollen sich hier mit den hiesigen Gepflogenheiten bekannt machen und kennengelernt werden können von Menschen, die Ausschau halten nach einem Hund als Begleiter und die sich binden wollen - genau wie die Pfleglinge.

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