Die ersten Wochen, unerwartete Probleme und ganz viele Glücksgefühle.

Der erste Tag mit unseren Hunden: Wir sind gegen 8 Uhr Sonntagmorgens wieder in der Wohnung. Tobi zeigt wieder "Paarungsverhalten", ist unruhig und gestresst, lässt auch Nerina nicht zur Ruhe kommen, die schon sehr müde wirkt. Joe und ich sind fix und fertig und legen uns ins Bett. Tobi, neben dem Bett liegend, wird von Joe am Geschirr festgehalten und so daran gehindert, Nerina durch die Wohnung zu treiben. So kommen wir alle mal so für drei Stunden zur Ruhe und bekommen eine Mütze Schlaf. Wir gehen Gassi mit unseren Hunden. Die von Giovanna empfohlene "Fesselung" (Geschirr und Zughalsband) sieht vor allem bei der kleinen Nerina irgendwie absurd und grotesk aus - als müsse man einen kleinen süßen Hund daran hindern, jemand anzufallen. Wir drehen eine Runde, weiten diese aus, dann noch weiter - die Hunde "machen" nicht. Tobi hebt kurz das Bein, aber nur für ein paar Tropfen, Nerina macht nichts. Zurück in der Wohnung bieseln dann beide erst mal kräftig ins geflieste Bad.

Ich hatte mir eine Woche Urlaub genommen, mehr ging leider nicht, um mit Joe gemeinsam die ersten Tage mit unseren Hunden voll und ganz zu haben, zu genießen und alles mitzuerleben. Wir gehen alle drei Stunden Gassi, meist ohne Erfolg, zuhause erledigen die beiden, was wir draußen gerne erledigt hätten. Ständig steht Tobi mit Begattungsbewegungen neben und an Nerina, nur wenn er ihr zu nahe kommt, zeigt sie ihr Missfallen und knurrt ihn an. Tobi bekommt von uns den Spitznamen Al (von Al Bundy) - sein Benehmen ist alles andere als gesellschaftsfähig. Draußen, sobald ein Hund zu sehen ist, bricht die "Hölle" los. Er bellt so schrill, dass es einem Aufkreischen nahe kommt, seine Stimme überschlägt sich, er "kreiselt" auf den Hinterbeinen stehend an der Leine . wir ernten viele missfallende Blicke ob unserer offensichtlich nicht artgerechten Aufzucht und unserer nicht-sozialisierten Hunde.

Giovanna hatte sich angeboten, für immer Ansprechpartner bei Problemen zu sein - wir rufen sie an und schildern unsere Schwierigkeiten. Ihr Rat: Kleine Runden, öfter lange stehenbleiben, damit die Hunde sich "lösen" können. Und das hilft! Ab da wird sich mehr draußen als drinnen "gelöst". Über Giovanna lernen wir Gabi kennen und sie wird unsere Hundetrainerin und Ratgeberin für viele Fragen. Von ihr erfahren wir später, dass sein "Luft-Rammeln" eine Übersprunghandlung war. Es hörte nach ein paar Wochen auch auf. 

Was vom ersten Tag an klappt - KUSCHELN. Nerina und Tobi suchen auf der Couch unsere Nähe. Liegen ganz nah un eng bei uns. Lassen sich kraulen und streicheln. Es ist schön, ja tatsächlich wunderschön! Ich bin die ersten Tage irritiert, eine Katze zeigt durch Schnurren sehr deutlich ihr Wohlgefallen. Der Hund schweigt, gefällt es ihm? Offenbar, sonst würde er bzw. sie sich nicht immer wieder zu uns legen. Auch die Nächte verbringen wir ab sofort mit den Hunden im Bett. Das war nicht geplant, überhaupt nicht. Aber Tobi hat Angst und will zwischen uns liegen. Er ist nicht davon abzubringen. Ab der zweiten Nacht liegt er unter der Bettdecke, ganz eng und der Länge nach am Körper - das ist sehr warm und kuschelig und schafft Nähe und Vertrauen - auf beiden Seiten!!! Nerina ist "stärker". Sie schläft am Anfang zwischen unseren Füßen und nachts geht sie alleine in ein großes Körbchen im Schlafzimmer und streckt sich dort aus. 

Beide wecken unsere Beschützerinstinkte - Nerina, weil so klein, süß, goldig und schwanzwedelnd, Tobi, weil so offensichtlich unsicher, ängstlich und schutzbedürftig. Manchmal war ich sauer auf Tobi, weil er sich so wahnsinnig aufführt beim Treffen eines anderen Hundes, so hysterisch. Joe erklärt mir in seiner lieben Art: "Der Tobi kann halt nicht so sein, wie er selbst möchte. Er möchte sicherlich selbst lieber ganz anders sein, aber kann nicht raus aus seiner Haut." Ja, da hat Joe zweifelsfrei Recht und daran erinnerte ich mich immer, wenn mir Tobi peinlich war oder ich anfing ihn oder sein Verhalten ärgerlich zu finden.

Am Seltsamsten war, wenn uns jemand fragte, wie es denn wäre mit unseren Hunden. Wir faselten was (es ist anstrengend nicht lügen zu wollen) von unerwarteten Schwierigkeiten - und gleichzeitig davon, dass es viel, viel, viel schöner ist als wir es uns vorgestellt haben! Und so haben wir es immer empfunden.

Niemals, zu keinem Zeitpunkt haben wir die Entscheidung, Tobi und Nerina ungesehen adoptiert zu haben, bereut. Auch wenn mich ehrlich gesagt ein paar Tage vor Ankunft der Hunde in Deutschland das Gefühl beschlich, wir müssen wahnsinnig sein, so etwas zu tun. Ich tröstete mich damit, dass tatsächlich ja auch der Hund aus dem Tierheim vor Ort ein Fremder ist, wenn man ihn mit heim nimmt. Kennenlernen und eine Beziehung aufbauen kommt dann später und im Laufe der Zeit.

Wir haben viel erlebt schon die ersten Wochen. Tobis Kastrationsnaht entzündete sich (vielleicht durch sein ständiges Lecken), Nerina hatte wohl vom Transport eine klaffende Schnittwunde an der Innenseite des Oberschenkels - wir waren in Sorge (und natürlich beim Tierarzt) und auch das stärkte unsere Bindung zu den beiden. Im zweiten Monat bei uns konnte Tobi plötzlich nicht mehr aufstehen, jaulte auf bei dem Versuch und sank jammernd zurück ins Körbchen. Es war gegen 23.30 Uhr, der letzte Spaziergang (den die Hunde anfangs furchtbar fanden, bis eine Handvoll Trockenfutter anschließend gereicht wurde - ab da hatte der letzte Gang runter plötzlich was Positives) stand an und Tobi konnte nicht raus aus dem Körbchen. Wir hatten eine schlimme und unruhige Nacht - er fehlte (JAAA wirklich fehlte schrecklich!!!) im Bett, wir wachten oft auf. Ich Langschläfer und Morgen-Trantüte stand um 6 Uhr auf und rief bei unserem Tierarzt im Ort an. Er ging ans Telefon, wir waren so froh nicht in die Tierklinik in der nächsten Stadt mit den fremden Ärzten zu müssen, sondern gleich kommen zu dürfen. Joe trug "seinen" Tobi die zwei Stockwerke runter zum Auto - ja, ist schon gut, seinen Hund tragen zu können! Tobi lag dann wohlbehütet während der Fahrt auf Joes Schoß, beide hinten auf den Rücksitzen. Auch Nerina war dabei, wir wollten nicht, dass sie "verlassen" alleine daheim sein muss. Tobi hatte sich zum Glück wohl "nur" was verrissen, beim Tierarzt konnte er vor lauter Angst dann plötzlich wieder auftreten. Er machte seinen Fußball-spielenden Landsleuten alle Ehre in seiner Wehleidigkeit. Joe und ich waren sehr, sehr froh und erleichtert über die Wunderheilung durch bloße Anwesenheit des Tierarztes. smiley smile

Es gab auch viele Dinge die beide Hunde sofort konnten und machten. In den Kofferraum springen, brav an der Leine gehen (solange kein anderer Hund in der Nähe ist), in ein Körbchen schicken lassen, lieb schauen, die Hand anstubsen die aufhört zu streicheln (Nerina), dem Herrle in der Wohnung auf Schritt und Tritt an der Wade kleben (Tobi), Platz machen, wenn eine Decke dort liegt (Tobi), sich angemessen (also rieeesig) zu freuen wenn man kurz alleine war und jemand heimkommt.

"Sitz" zu lernen war hingegen irgendwie unerklärlich schwierig. Gabi hatte uns erklärt wie man es beibringt, wir haben nochmal in Büchern geblättert - nein, die Süßen bekamen immer Angst, wenn wir es üben wollten, verstanden nicht was wir wollten und wurden unsicher und ängstlich. Wir brachen die Versuche deshalb immer ab. Nun, nach einem Jahr, ein neuer Anlauf in einer Trainingsstunde mit Gabi und - JAAA, gleich gelernt. Mit mehr Vertrauen zu uns konnten sie sich darauf einlassen und haben es richtig schnell begriffen, wir sind sehr stolz auf die beiden! Nur auf Fliesenboden mag Tobi nicht Sitz machen, da muss bitte schon ein Polster unter seinem Popo liegen.

Joe und ich haben oft darüber gesprochen, welch große anpassungsleistung die beiden gebracht haben. Alles fremd und neu, gar nichts Bekanntes oder Vertrautes mehr im Leben und dann noch freundlich, lieb und nett sein (und noch gelehrig) - das haben Tobi und Nerina wirklich toll hinbekommen!

Unsere Gewohnheiten und die Freizeitgestaltung haben sich mit den Hunden komplett geändert und wir haben einen Teil unseres Freundeskreises verloren - nur wenige verstehen, warum uns die Hunde so wichtig sind. Wir sind früher gerne fortgegangen, oft nur aus Gewohnheit, wie wir später feststellten - das machen wir nun nicht mehr gerne, wir sind lieber mit den Süßen zusammen. Wir wohnen ganz zentral in See-Nähe in einem Touristen-Ort, seit den Hunden gehen wir nicht mehr Richtung See wie alle (und auch wir in der Zeitrechnung "damals vor den Hunden"), sondern fahren in die Randgebiete um unseren Ort, um in Ruhe mit Schleppleinen Gassi zu gehen. So haben wir Naturerlebnisse die wir ohne unsere Hunde nie gehabt hätten. Insgesamt finden wir, dass sich die Qualität unserer Freizeitgestaltung enorm verbessert hat. Was will man mehr?

Zusammenfassend sind Joe und ich uns einig: Unser Leben ist reicher und glücklicher geworden durch die beiden Hunde. Und wir empfinden ganz oft reines, pures Glück im Umgang mit Nerina und Tobi und natürlich ganz viel Liebe! 

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